Fachtechnische Bewertung des Brandschutzes in der Machbarkeitsstudie der Deutschen Bahn zum Fernbahntunnel Frankfurt a.M. |
In der vorliegenden DB-Studie werden zunächst grundsätzliche Kriterien für Rettungskonzepte im Brandfall dargestellt (Abschnitt 2). Anschließend werden Fernbahntunnel (Abschnitt 3) und Tiefbahnhof (Abschnitt 4) getrennt bewertet. Verdichtet man diese Bewertungen auf ein Schulnotensystem, so gibt sich für den Fernbahntunnel die Note Sechs (ungenügend) und für den Tiefbahnhof die Note Fünf (mangelhaft).1
Übergreifende Kritikpunkte sind:
Mit Verweis auf die „geringe Planungstiefe“ der Machbarkeitsstudie erfolgen praktisch keine Bewertungen vorhandener Risiken.2 Als Risiken werden vor allem bautechnische Fragen und die Erfordernisse von Interimslösungen während der Bauphase benannt, die außerhalb der Brandschutzthematik liegen. Dieses wäre prinzipiell aber noch vertretbar, wenn alle (brandschutztechnischen) Risiken umfassend benannt würden und man sich im weiteren Planungsprozess darauf beziehen könnte.
Für den Fernbahntunnel ergibt sich die Note Sechs aufgrund folgender Kriterien:
Trotz einer Gegenüberstellung von insgesamt sieben Tunnelvarianten wird nicht dargestellt, in welchem Umfang konkrete Schutzziele erreicht werden. Es erfolgt lediglich eine qualitative Bewertung der baulichen Varianten, die im Abschnitt 3 der DB-Studie beschrieben und zu einer Präferenz der Bahnhofslage (plus Y-Anbindung im Osten) geführt haben. Inwieweit dabei auch Brandschutzkriterien relevant waren, ist nicht ersichtlich.
Der Brandschutz wird bei der Variantenbeschreibung lediglich einer qualitativen Bewertung unterzogen, wobei im wesentlichen nur die generellen Unterschiede zwischen ein- und zweigleisigen Tunnelröhren beschrieben werden. Es fehlt eine Darstellung von projektspezifischen Parametern, die zur Bewertung von Selbst- und Fremdrettung sowie Feuerlöscheinsätzen notwendig wären.
Für den Tiefbahnhof ergibt sich die Note Fünf aufgrund folgender Kriterien:
Dargestellt wird die Entfluchtung über Treppenhäuser und Rolltreppen. Die Berechnungsgrundlagen zur maximalen Anzahl von Personen auf den Bahnsteigen sind jedoch fragwürdig. Die Entfluchtung von mobilitätseingeschränkten Personen wird zwar thematisiert, aber unzureichend beantwortet. Die Gesamtproblematik einer Verrauchung, die sich unter ungünstigen Umständen von der E-Ebene der Bahnsteige bis zur Haupthalle (A-Ebene) hinziehen kann, wird nicht behandelt. Die Komplexität der hierfür notwendigen baulich-technischen Lösungen, insbesondere einer dafür notwendigen Brandfall-Steuermatrix, wird völlig ausgeblendet.
Die vorhandenen Brandschutzrisiken sind gravierend und könnten bei dem Projekt Fernbahntunnel aus unserer Sicht nur mit erheblichen Zusatzaufwendungen in akzeptabler Weise minimiert werden.
Für den Tunnel wären folgende Voraussetzungen notwendig:
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Durch zwei zweigleisige Tunnelröhren sowie direkten Rauchabsaugungen über den Gleisen könnte eine schnelle Verrauchung im Brandfall minimiert werden.
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Andernfalls könnten mit drastisch reduzierten Abständen der Rettungsschleusen zum jeweiligen Nachbartunnel auch entsprechend kurze Evakuierungszeiten erreicht werden.
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Mit verbreiterten Rettungswegen, die nicht durch Einbauten wie Löschwasserhydranten und Notrufsäulen behindert sind, angehoben auf das ICE-Bahnsteinniveau, könnten Fluchtwege den tatsächlichen Erfordernissen gerecht werden.
Für den Tiefbahnhof wären folgende Voraussetzungen notwendig:
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Die ursprünglich von der Deutschen Bahn vorgegebenen 17 m Breite für die beiden Mittelbahnsteige müssten aufgrund der höheren Personenzahlen durch die geplante Einbeziehung von Regionalzügen zwingend eingehalten werden.
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Die zahlreichen und komplexen Brandfall-Szenarien müssen bereits mit der Entwurfsplanung sorgfältig geplant und als zusätzliches Zeitfenster für Inbetriebnahme und Abnahme im Bauzeitenplan berücksichtigt werden.
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Eine zuverlässige Feuerwehr-Einsatzplanung (für Tiefbahnhof und Tunnel) ist nur möglich bei Vorhandensein einer DB-Werkfeuerwehr. Diese könnte auch die personellen Ressourcen für die regelmäßig notwendigen Brandverhütungsschauen und Wirk-Prinzip-Prüfungen der einzelnen Brandfallsteuerungen übernehmen.
In der Konsequenz ergäben sich damit aber erhebliche Mehrkosten nicht nur für den Bau, sondern auch für den Betrieb. Diese Rückwirkungen müssen auf mehreren Ebenen thematisiert werden:
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Das Nutzen-Kosten-Verhältnis der Gesamtmaßnahme wird dadurch erheblich ungünstiger.
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Der deutlich erhöhte Aufwand für den Tunnelbau verursacht nicht nur Mehrkosten und eine längere Bauphase, sondern auch eine noch ungünstigere Klimabilanz (siehe dazu die entsprechende Berechnung als Anhang 7).
Die DB-Studie kann unter Berücksichtigung des Brandschutzes bei kritischer Betrachtung nicht als Beleg für die „Machbarkeit“ des Projektes angesehen werden, bei dem ein vorgegebener Rahmen für praktischen Nutzen und kalkulierte Kosten angesetzt wurde.
Nur am Rande kann hier erwähnt werden, dass das größte Brandschutzrisiko jedoch nicht von einer Missachtung der o.g. Kriterien ausgeht, sondern von der defizitären Instandhaltung der ICE-Züge, die für deren Störanfälligkeit und damit zusammen hängenden häufigen Brandvorfällen verantwortlich sind.
Wir plädieren deshalb für Machbarkeitsstudien, in denen Alternativen zu dem Tunnelprojekt ernsthaft geprüft werden.
1 Kriterien bzw. Maßstab hierfür waren:
Note Eins (sehr gut): Ein vollständiges und nachvollziehbar wirksames Rettungskonzept wird dargestellt.
Note Zwei (gut): Die wesentlichen Brandschutzprobleme sind dargestellt und bezüglich der definierten Schutzziele auch plausibel beantwortet. Nachrangig erscheinende Fragen müssen aber im weiteren Planungsprozess noch geklärt werden.
Note Vier (ausreichend): Die Darstellung der Brandschutzprobleme ist lückenhaft und demgemäß wird auch die Erreichung der Schutzziele nicht befriedigend dargestellt.
Note Fünf (mangelhaft): Die Brandschutzprobleme werden nur teilweise dargestellt, weshalb auf dieser Basis auch nur eine eingeschränkte (positive) Bewertung möglich ist, ob alle notwendigen Schutzziele erreicht werden können.
Note Sechs (unzureichend): Sowohl die Brandschutzprobleme als auch die notwendigen Schutzziele werden nur ansatzweise und völlig unzureichend dargestellt. Damit ist auch keine (positive) Bewertung möglich.
2 DB-Studie, 12. Risikobewertung (S. 177): „Eine Risikobewertung ist im Rahmen dieser Machbarkeitsstudie daher nur bedingt möglich. Die wesentlichen Risiken resultieren hier in erster Linie aus der im Rahmen einer Machbarkeitsstudie entsprechend geringen Planungstiefe.“