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Eine Gesamtbelastungsstudie für das Rhein-Main-Gebiet – aktueller denn je
von Karl-Heinz Peil, BUND Frankfurt a.M.
Screenshots aus: Erklärvideo des BUND Frankfurt (unveröffentlicht)
Die Forderung nach einer Gesamtbelastungsstudie für das Rhein-Main-Gebiet ist bereits sehr als. Ansätze hierfür gab es zuerst Anfang der 90er Jahre als politisches Zugeständnis an den damals vorhandenen Widerstand gegen die Startbahn West am Frankfurter Flughafen. Damals bereits sollte damit eine qualifizierte Grundlage zur Beurteilung von weiteren Ausbauplänen des Flughafens geschaffen werden. Eine von der rot-grünen Landesregierung 1992 in Auftrag gegebene Vorstudie verschwand allerdings schnell in den Schubladen des Umweltministeriums.
2007 gründete sich das Netzwerk Umwelt und Klima Rhein-Main, als Zusammenschluss verschiedener Organisationen und Bürgerinitiativen. Erklärte Forderung war eine Gesamtbelastungsstudie im Hinblick auf die kumulierten Wirkungen von geplanten Projekten wie Flughafenausbau, Kohlekraftwerken und Einzelne davon wurden verhindert, andere hingegen nicht. Heute reden wir hingegen nicht mehr über einzelne Großprojekte, sondern über die kumulierten Wirkung vieler kleinerer Entwicklungen auf regionaler Ebene, wo weniger ein Zusammenschluss von Bürgerinitiativen als vielmehr die Expertise einer inhaltlich breit aufgestellten Umweltorganisation gefragt ist, d.h. vor allem der Landesverband des BUND. Zu nennen sind hier:
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Wohnraumverdichtung und Erschließung neuer Wohngebiete im Rhein-Main-Gebiet, insbesondere in Frankfurt als Zentrum der Metropolregion
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weitere Ansiedlung von Unternehmen in dieser Region, speziell in Frankfurt a.M. als Folge des Brexits. Die hessische Landesregierung bemüht sich sogar aktiv darum, Unternehmen mit Sitz in London nach Frankfurt zu holen.
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Ausweitung der Logistikflächen an mehreren zentralen Autobahn-Knoten in Hessen mit den entsprechenden Konsequenzen für teilweise fruchtbares Ackerland.
Dem entgegen steht:
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Obwohl hessenweit statistisch genügend Wohnraum vorhanden ist, nimmt der Wohnungsmangel speziell im Zentrum der Metropolregion dramatische Züge an.
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Immer mehr Menschen werden zu Berufspendlern über immer größere Strecken. Dieser deutschlandweite Trend ist auch innerhalb Hessens vorhanden.
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Obwohl Hessen beispielsweise mit Rheinland-Pfalz den höchsten Waldanteil aller Bundesländer vorzuweisen hat, ist die Umweltbelastung im Rhein-Main-Gebiet durch einen wissenschaftlich undefinierbaren Cocktail mit Umweltgiften und Lärmbelastung aus verschiedenen Emissionsquellen (Straßen- und Flugverkehr sowie teilweise auch Bahnverkehr) extrem hoch.
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Der ländliche Raum trocknet aus. Auspendler in die Metropolregion Rhein-Main machen viele Orte zu einem ausschließlichen Wohn- und Schlafplatz. ÖPNV-Anbindungen werden tendenziell schlechter, Ärzteversorgung und Einkaufsmöglichkeiten schwinden.
Viele Umweltprobleme sind bereits als Einzelproblem mittlerweile so handfest, dass z.B. über Gesundheitsbelastungen nicht unbedingt neue wissenschaftliche Studien erforderlich wären. Insbesondere ist hier die Stickoxid-Thematik zu nennen.
Eine nachhaltige, auf Suffizienz basierende Regionalplanung, die in der Stadtentwicklung ihre Fortsetzung findet, muss die kumulierenden Wirkungen berücksichtigen, wenn z.B. das Zauberwort Wirtschaftsförderung eingebracht wird. Mit Wirtschaftsförderung wird Prosperität im Sinne von Wohlstand für alle assoziiert. Als I-Tüpfelchen tauchen bei Diskursen (nicht nur) auf regionaler und lokaler Ebene noch die Begriffe Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum auf. Die Ehrfurcht vor diesen Begriffen kann genommen werden, wenn eine Gesamtbewertung der gesellschaftlichen Kosten vorgenommen wird, mit denen der vermeintliche Gewinn verbunden ist.
Diese gesellschaftlichen Kosten sind:
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Behandlung von Erkrankungen durch Lärmbelastung sowie Schadstoffe in Luft und Wasser bzw. erhöhte Mortalitätsrate
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Folgewirkungen durch den Verluste in der regionalen Biodiversität
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Verschlechterung der CO2-Bilanz bzw. kontraproduktive Wirkung auf Klimaschutz
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Ressourcenverschwendung als Auslöser globaler Umweltprobleme (Stichwort: ökologischer Fußabdruck)
Eine Bewertung dieser externen Kosten bei Regionalplanungen in Hessen ist wie folgt möglich:
1. HLNUG-Kataster
Das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie verfügt bereits über zahlreiche Einzelkataster mit regionalen Belastungen durch einzelne Faktoren. Diese sind jedoch sehr lückenhaft und die Datenbasis ist sehr unterschiedlich. Hier müsste eine umfängliche Datenbasis geschaffen werden.
2. Gesamt-Reporting
Ein integriertes Monitoring zur Erfassung der Umweltbelastungen besteht bereits seit langem als Forderung des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU) bei der Bundesregierung. Praktische Erfahrungen mit einer volkswirtschaftlichen Bewertung von Umweltkosten gibt es zudem seit dem Jahr 2000 in der Schweiz. Diese und andere vorhandenen Methoden gilt es aufzugreifen und regional für Hessen umzusetzen.
3. Meta-Studien
Viele Studien über Gesundheitsbelastungen durch Umweltfaktoren liegen vor. So auch regional durch die NORAH-Studie über Lärmwirkungen. Eine übergreifende Bewertung dieser und anderer Studien im Sinne der kumulierten Wirkungen erfolgt jedoch nicht und muss deshalb politisch eingefordert werden.