Bericht in der FR vom 28.6.2022: Dialog zum Fernbahntunnel

Fernbahntunnel in Frankfurt: Neue Details zum Milliardenprojekt

Die Deutsche Bahn stellt das Milliardenprojekt Fernbahntunnel in Frankfurt vor. Weitere Veranstaltungen sollen folgen. So ist der Stand der Dinge.
FR vom 28.6.2022, Quelle: https://www.fr.de/frankfurt/frankfurt-dialog-zum-fernbahntunnel-91634390.html

Auszüge:
Es wird noch gut 20 Jahre dauern, bis Frankfurt einen neuen Fernbahnhof für ICE bekommt, aber die Weichen werden schon jetzt gestellt. Ein Jahr, nachdem eine Machbarkeitsstudie gezeigt hatte, dass ein ICE-Bahnhof unter dem Frankfurter Hauptbahnhof grundsätzlich möglich ist, hat die Deutsche Bahn die Planungsleistungen ausgeschrieben.
Dazu zählen die Vorplanung, Entwurfsplanung, Genehmigungsplanung und die Ausführungsplanung – „alles in einem Vorgang, um Zeit zu sparen“, sagte Gerd-Dietrich Bolte, der für die Deutsche Bahn die Infrastrukturprojekte in der Mitte Deutschlands leitet. „Ohne den Fernbahntunnel wird es nichts mit dem Deutschlandtakt“, sagt er. Mit dem Deutschlandtakt werden ab Dezember 2025 Fernzüge alle halbe Stunde in den großen Städten abfahren. Auch in Frankfurt muss die Infrastruktur der Bahn dafür an zahlreichen Stellen verbessert werden. […] Der Fernbahnhof soll vier Gleise an zwei Mittelbahnsteigen bekommen. Er wird in etwa 40 Metern Tiefe an der Südseite des Hauptbahnhofs liegen, entlang der Mannheimer Straße. Der Bahnsteig wird etwa 450 Meter lang, damit die mehr als 400 Meter langen ICE dort halten können.

Leserbrief von Karl-Heinz Peil

Nach dem Bericht über die Veranstaltung vom 27.6. darf zu Recht bezweifelt werden, ob die DB an einem Dialog interessiert ist. Vielmehr müssen weitere Werbe-Shows befürchtet werden, wobei die an sich zu begrüßende Präsenz der Projektgegner von Frankfurt22 nur ein Feigenblatt darstellt.

Nach der Vorstellung der Machbarkeitsstudie Ende Juni letzten Jahres dauerte es noch bis Mitte Oktober, bis eine detaillierte Einsichtnahme über die Homepage der DB Netz ermöglicht wurde. Eine Durchsicht der umfangreichen Studie zeigt jedoch, dass der ausgewiesene Kostenrahmen unseriös ermittelt wurde. Vor allem bei dem ausführlich behandelten Brandschutz bleibt völlig offen, ob die bevorzugte Tunnellösung praktikabel ist. Letztlich müsste gegenüber der Machbarkeitsstudie aber allein deshalb eine ganz andere Lösung angestrebt werden, die den bisher kommunizierten Kostenrahmen erheblich überschreiten würde. Der Fernbahntunnel Frankfurt würde sich dann aber in bester Gesellschaft mit anderen Tunnelprojekten der Bahn wie Stuttgart 21 wiederfinden. Ein Katalog von 10 Einzelfragen hierzu, den ich selbst Anfang April an die DB Netz gerichtet habe, blieb bisher trotz wiederholter Nachfrage unbeantwortet.

Im Rahmen einer früheren Anfrage an die DB Netz hatte ich explizit zur Klimabilanz des Projektes gefragt: „Inwieweit ist basierend auf den Vorgaben des Klimabeschlusses des Bundesverfassungsgerichtes vom 23.4.2021 eine Klimabilanz dieses Einzelprojektes im Rahmen der strategischen Umweltprüfung vorgesehen?“ Die in 117 Wörtern formulierte Antwort könnte man in einem einzigen Wort zusammen fassen: Nein. Stattdessen wurde dieses in blumigen Worten umschrieben wie: „Der Fernbahntunnel ist wesentliches Element des Deutschlandtaktes und der Verkehrswende und trägt damit aktiv zum Klimaschutz bei. …. Das Schutzgut Klima wird darüber hinaus im Rahmen der Umwelterträglichkeitsprüfung untersucht“.

Völlig absurd ist die Behauptung der DB Netz, dass bei einem erweiterten Ausbau des Südbahnhofs 50 Gebäude abgerissen werden müssten. Bereits Anfang 2020 hat dazu der frühere Bahn-Mitarbeiter Sven Anderson in einer umfassenden Expertise (Fachzeitschrift Bahn-Report Nr. 2/2020) ein Alternativ-Konzept vorgelegt, das sogar den Südbahnhof als neuen Hauptbahnhof mit optimalen Verknüpfungen zwischen Schienen-Nah- und Fernverkehr ermöglichen würde, mit nur wenigen Eingriffen in die vorhandene Bebauung in Sachsenhausen. Sein heute noch gültiges Fazit zur Tunnellösung lautet: „Eine hinreichende Diskussion über eine andere Lösung hat es nie gegeben. Dies legt den Verdacht nahe, dass zu sehr auf die Tunnelbauindustrie gehört worden ist“.

Eine Verkehrswende mit signifikanter Verlagerung des Straßenverkehrs auf die Bahn bestünde z.B. darin, dass in Hessen an vielen Stellen ein regionaler Ausbau des Schienennetzes beschleunigt voran getrieben würde. Dazu gibt es einen dokumentierten Bedarf für zweigleisige Streckenausbauten, Elektrifizierungen, Weichenverbindungen und erweiterte Bahnsteige. Dieses würde gesamthaft nur einen Bruchteil der Kosten des Fernbahntunnels verschlingen. Da die fachlichen Ressourcen bei Ingenieurbüro und Behörden für Planung und Baumanagement aber definitiv begrenzt sind, werden diese kleineren, aber für eine Verkehrswende entscheidenden Projekte blockiert. Hinzu kommt das absurde Finanzierungssystem für den Schienenverkehr. Die veranschlagten 3,5 Mrd. Euro für den Fernbahntunnel sind ein „Geschenk“ des Bundes, während gleichzeitig dem RMV die notwendige Planungssicherheit fehlt. Siehe dazu die FR vom 22.3.22: „ÖPNV in Hessen: Der RMV fährt auf Sicht“.

Es muss deshalb gefragt werden: Warum gibt es keine Machbarkeitsstudie zu oberirdischen Alternativkonzepten?