Am 25. Juni fand eine Informations- und Diskussionsveranstaltung zum Fernbahntunnel statt.
Veranstalter: der Verein kulturelles Frankfurt
Ort: Evangelische Akademie am Römerberg
Inhalt
Bericht und Kommentar zur Veranstaltung
von Karl-Heinz Peil / 26.5.2023
Zeitungsberichte
FAZ vom 26.5.2023
Neuer Tiefbahnhof in Frankfurt : So viele Züge sollen durch den Fernbahntunnel fahren (Bezahlschranke)
Von Günter Murr
Auszüge:
Der rund acht Kilometer lange Fernbahntunnel in Frankfurt gilt als unverzichtbar für den Ausbau des Bahnnetzes in Deutschland. Er soll noch mehr Verkehr aufnehmen als bisher prognostiziert.
aum ein anderes Bauvorhaben wird Frankfurt in den nächsten Jahrzehnten so sehr verändern wie der Fernbahntunnel, durch den schnelle Züge künftig vom Hauptbahnhof unter der Stadt in Richtung Osten fahren sollen. Bisher verläuft das Milliardenprojekt nach Plan.
Zwei Jahre nach Vorstellung einer Machbarkeitsstudie wurde jetzt eine Gemeinschaft von Ingenieurbüros mit der Vorplanung beauftragt. Die vier Partner rund um das renommierte Büro Schüßler-Plan und das bahneigene Beratungsunternehmen DB Engineering & Consulting müssen sich nicht lange einarbeiten, denn sie waren schon für die Machbarkeitsstudie verantwortlich. In zwei Jahren sollen erste Ergebnisse vorliegen. […]
Mit Abschluss der Vorplanung soll auch eine belastbare Kostenschätzung vorliegen. 2018 rechnete der Bund, der das Vorhaben finanziert, mit rund 3,6 Milliarden Euro. Wo man am Ende landen werde, sei derzeit schwer zu prognostizieren, sagte Gerd-Dietrich Bolte, Leiter der Infrastrukturprojekte in der Region Mitte der Deutschen Bahn, bei einer Veranstaltung des Kuratoriums Kulturelles Frankfurt. „Wir wissen nicht, wie sich die Inflation entwickelt.“
Er wies aber darauf hin, dass der Bundestag bereits nach Abschluss der Vorplanung über die Realisierung entscheiden werde. […] „Wir wollen die Planung beschleunigen“, sagte der Bahn-Manager. Dazu beitragen soll ein Projektlenkungskreis, den Bahn und Stadt Frankfurt ins Leben gerufen hätten. Er soll alle Fragen rund um die Schnittstellen zwischen Bahngelände und öffentlichem Raum frühzeitig klären. So eine Zusammenarbeit gebe es bisher in Deutschland nicht, meint Bolte. […]
FR vom 27.5.2023
Auszug aus der Druckausgabe vom 27.5.2023:
Eine neue Röhre unter der Stadt – Der Chefplaner der Bahn stellt die Pläne für den Fernbahntunnel vor
von Thomas J. Schmidt
Auszug:
Der Fernbahntunnel Frankfurt sei unabdingbar, sagt Gerd-Dietrich Bolte. Der Tunnel sei die Voraussetzung für einen „Deutschlandtakt“, das heißt eine Verbindungsdichte im Fernverkehr wie im Nahverkehr: Alle 30 Minuten geht ein Zug.
Die Pläne für den Fernbahntunnel stellte Bolte am Mittwochabend in der evangelischen Akademie vor. Bolte ist Leiter Infrastrukturprojekte Region Mitte bei der DB Netz AG. Er erläuterte die Notwendigkeit: „Wir hatten 2015 etwa 1100 Züge täglich oberirdisch im Hauptbahnhof. 2020 waren es schon 1200. Für 2030 hatten wir mit 1500 gerechnet, sind jedoch inzwischen schon bei 1800 Verbindungen täglich.“ […]
In Frankfurt wird derzeit die Verbindung Hauptbahnhof-Stadion ertüchtigt, einschließlich einer neuen Brücke in Niederrad über den Main. Den Südbahnhof auszubauen, sei keine Alternative zum Fernbahntunnel, sagte Bolte: Zu viele Häuser müssten abgerissen werden, um dort zwei neue Gleise zu bauen. „Und dann brauchen Sie 25 Minuten, um vom Südbahnhof zum Hauptbahnhof zu gelangen.“ Das sei nicht mit dem Deutschlandtakt zu vereinbaren, der kurze Umstiegzeiten erfordere. Es ergebe auch wenig Sinn, den ICE-Bahnhof am Flughafen auszubauen, denn dann müsse man wieder mit der S-Bahn zum Hauptbahnhof fahren, um in den Anschluss-ICE zu steigen. Damit beantwortete Bolte eine Frage des Moderators und „FAZ“-Redakteurs Manfred Köhler. […]
vorausgegangener Bericht am 25.5.2023:
Vorplanung für neuen Fernbahnhof in Frankfurt beginnt
Leserbrief an die FR
von Karl-Heinz Peil zum Bericht vom 27.5.2023
Fernbahntunnel unabdingbar?
Der Bericht über die Veranstaltung vom 25.5. zum Fernbahntunnel zeigt auf, welche Kommunikationsstrategie die DB Netz offenbar gewählt hat: Nicht mehr gültige Begründungen, nicht belegbare Behauptungen und Auslassungen. Dieses beginnt mit dem Deutschlandtakt. Dieses Konzept wurde im Herbst 2018 vom Bundesverkehrsministerium vorgestellt und stieß zurecht auf breite Zustimmung. Wenige Wochen später wurde dann ein Kaninchen aus dem Hut gezaubert: der Fernbahntunnel sei dazu zwingend notwendig. Der Grundwiderspruch, dass der Deutschlandtakt bereits 2030 eingeführt werden sollte (was mittlerweile auf 2070 verschoben ist) und die geplante Fertigstellung des Fernbahntunnels nach 2040 wurde erst bei der Vorstellung der Machbarkeitsstudie im Juni 2021 offen ausgesprochen. Was man aber sicherlich schon vorher gewusst hat.
Alternative Konzepte zum Fernbahntunnel gibt es. Der Bahn-Fachmann Sven Andersen hat bereits 2020 ein Konzept vorgelegt, das auch mit dem Fokus auf den Deutschlandtakt eine Erweiterung des Südbahnhofs bei minimalen Eingriffen in die Randbebauung vorsieht. Dieses stellt sich ganz anders dar als bei Herrn Bolte: „Zu viele Häuser müssten abgerissen werden ..“. Klärung müsste hier eine ergebnisoffene Machbarkeitsstudie liefern, welche der denkbaren Optionen des oberirdischen Ausbaus machbar und sinnvoll wäre. Daran besteht aber bei der DB Netz kein Interesse. Nicht nur was einen möglichen Häuserabriss betrifft, sondern auch bei vielen anderen Kriterien. Zu erläutern wäre z.B. wie die Verkehrsprognosen von 1800 Verbindungen bis 2030 zustande kommen, wobei diese Steigerung um 50% gegenüber heute natürlich ohne Fernbahntunnel zu stemmen wäre. Leistbar wäre dieses 2030 jedenfalls nicht, wenn man am Hauptbahnhof just in diesem Jahr eine Großbaustelle einrichtet, mit Sperrung der Bahngleise 1 bis 4 und massiven Behinderungen des Straßenbahnknotens, auf den die Bahn-Umsteiger am Hbf schließlich angewiesen sind. Auch wenn Herr Bolte dieses abstreitet, ist ein Vergleich mit Stuttgart 21 durchaus angebracht: Über 10 Jahre Großbaustelle im Verkehrszentrum der Stadt und immer noch viele ungeklärte Fragen, wie z.B. die Brandsicherheit von Tunnel und Tiefbahnhof.