Zusammenfassung des Vortrages von Klaus Gietinger am 14.11.2024 im Rahmen der Veranstaltung der Initiative „Takt vor Tempo Rhein-Main“. Die redaktionelle Bearbeitung und textliche Zusammenfassung auf Basis der Video-Aufzeichnung erfolgte von Herbert Storn und Karl-Heinz Peil
Inhalt
- „Unter die Erde kommen wir noch früh genug“
- Oberirdischer Ausbau in Frankfurt im Schneckentempo
- Positiv: Überfällige Verbesserungen im Gleisvorfeld und im Südosten
- Einige Widersprüchlichkeiten beim Fernbahntunnelprojekt
- Zusammenfassende Negativbewertungen
- Oberirdische Alternativen
- Transparenz und Beteiligungsmöglichkeiten
„Unter die Erde kommen wir noch früh genug“
Klaus Gietinger, Regisseur und engagiert kritischer Begleiter diverser Bahnprojekte stellte seinen Vortrag unter das Motto: „Unter die Erde kommen wir noch früh genug“. So lautete allerdings schon eine FR-Seite von ihm zum Thema vom 21.11.2001, also schon vor 23 Jahren!
Das bedeutet, dass das Frankfurter Fernbahntunnel-Projekt eine sehr lange und gewundene Geschichte hat, die Jüngere kaum kennen, aus der aber viel gelernt werden kann. Es lohnt ein Blick zurück in die Geschichte des Fernbahn-Tunnels, die eine wahre Achterbahn darstellt.
In diesem Zusammenhang ist es auch bemerkenswert, was Bahnchefs so versprechen. Der damalige Bahn-Chef Hartmut Mehdorn am 14.10.2000 (Quelle: FR):
„Wir verkaufen oben die Grundstücke, die wir nicht mehr brauchen, weil wir künftig in beiden Städten mit 6 Gleisen auskommen werden.“
Heute reichen angeblich 26 Gleise nicht in Frankfurt, aber 8 in Stuttgart! Der damalige Bahn-Chef Grube 2010, kurz vor der Volksabstimmung in Baden-Württemberg:
„Als ehrlicher Kaufmann stehe ich dafür ein, dass Stuttgart 21 nicht mehr als 4,5 Milliarden Euro kostet.“
Heute kostet das Bahnverkehrsverkleinerungs-Projekt Stuttgart 21 direkt 12 Milliarden Euro, mit Zusatztunnel und Inflation summiert sich das sogar auf 20 Milliarden Euro.
Oberirdischer Ausbau in Frankfurt im Schneckentempo
In den 90er Jahren wurde von interessierter Seite jahrelang für ein „Immobilienprojekt Frankfurt 21“ geworben. Der darin enthaltene Totaltunnel hätte den Todesstoß für den Frankfurter Hauptbahnhof bedeutet.
2003 wurde das Projekt Frankfurt Rhein-Main Plus initiiert, mit oberirdischen Ausbaumaßnahmen, die aber erst 2014 im Bereich des Südbahnhofs planerisch angegangen wurden. Erst mit langjähriger Verzögerung wurden erste oberirdische Verbesserungen im Zulauf zum Frankfurter Hauptbahnhof umgesetzt (z.B. Homburger Damm), was natürlich zu begrüßen ist.
Damals – zwischen 2014 und 2018 – wurden aber wichtige Maßnahmen, die jetzt im Bereich des Frankfurter Hauptbahnhofs noch oberirdisch angegangen werden (müssen), in Einzelbewertungen verworfen – mit unhaltbaren Gründen. Ein Beispiel: Das Überwerfungsbauwerk (Brücke) am Heizkraftwerk an der Gutleutstraße wurde wegen des dortigen Ammoniaklagers verworfen. Das Kraftwerk ist längst auf Erdgas umgestellt.
Alle Vorschläge von Bahninteressierten wurden nie in den dazu gehörenden Gesamtzusammenhang gestellt, sondern isoliert bewertet. Deshalb lautete auch das Ergebnis zur Anbindung vom Südbahnhof : Die untersuchten oberirdischen Varianten würden die Kapazität nur um 5% von 1400 auf 1470 Züge steigern.
Ende 2018 konnte schließlich durch Druck der Lobby das nächste „Pharaonenprojekt“ im Bundesverkehrswegeplan aufgenommen werden. Doch weil das 15 bis 20 Jahre dauern würde, kommt man nicht umhin, auch oberirdisch etwas zu tun, was man schon vor 30 Jahren hätte machen können.
Positiv: Überfällige Verbesserungen im Gleisvorfeld und im Südosten
Mit einem neuen Bahnsteig und der Verlängerung des Gleises 10 werden auch die Kapazitäten im Südbahnhof erhöht. Ein zusätzliches Gleis zwischen Deutschherrnbrücke (Schlachthofbrücke) und Südbahnhof verhindert, dass Züge von der nordmainischen Strecke zunächst die südmainische Strecke kreuzen müssen, um zum Südbahnhof zu gelangen. Hierfür müssen Eisenbahnüberführungen erweitert und die Deutschherrnbrücke erneuert werden. Zudem erhält der Südbahnhof ein elektronisches Stellwerk, um die schrittweisen Ausbauten auch einzeln in Betrieb nehmen zu können.
Der Zustand der denkmalgeschützten Eisenbahnbrücke aus dem Jahr 1913 macht deren Erneuerung erforderlich. Um die betrieblichen Einflüsse auf den Bahnbetrieb durch eine mehrjährige Totalsperrung zu vermeiden, ist geplant, ein neues Brückenbauwerk in Parallellage zu errichten. Das denkmalgeschützte Bauwerk bleibt aber erhalten.
Einige Widersprüchlichkeiten beim Fernbahntunnelprojekt
Der offizielle Fahrzeitgewinn durch den geplanten Fernbahntunnel betrage 6 bis 8 Minuten – auch wenn es darum in letzter Zeit ruhiger geworden ist.
Laut dem Ingenieurbüro Vieregg braucht man aber bei der Tunnellösung 11 Minuten für den Umstieg.
Das ist sehr schlecht für den Taktverkehr. Es taugt überhaupt nicht für den Regionalverkehr!
Und die Kosten sollten auch mal ehrlich benannt werden, statt immer wieder die Zahl 3,5 Mrd. Euro ins Bild zu setzen. 10 bis 20 Mrd. wären jedenfalls realistischer – und genau die fehlen bei der Installation der dringend benötigten Weichen, Gleise, Stellwerke, dem Personal usw.
Schade wäre es sicher auch für die Südfassade und -halle des Frankfurter Hauptbahnhofs, die den Tunnelarbeiten als erste zum Opfer fallen würden ….
Eine Pikanterie am Rande: Die Züge aus Darmstadt, Marburg und Gießen könnten nicht in den Tunnel einfahren. Der Tunnelbeginn würde zu weit westlich liegen!
Zusammenfassende Negativbewertungen
Der Fernbahntunnel ist
- brandgefährlich
- hoch klimaschädlich
- taktfeindlich (durch lange Umsteigewege)
- 10 bis 20 Milliarden teuer
- schließt Fernzüge aus Gießen und Marburg aus (und ohne Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim auch Darmstadt)
- käme viel zu spät.
Oberirdische Alternativen
Die von Gietinger aufgezeigten Alternativen, die von seinem Kollegen Markus Schmidt in der Initiative Frankfurt22 erarbeitet wurden, sind:
- für 1800 Züge pro Tag leistbar, mit möglichem Gleis 26
- ohne gigantische Überwerfungen (Brücken) machbar, daher minimierter Aufwand
- klimaschonend,
- in 5 Jahren machbar,
- keine unterirdische tödliche Brandgefahr,
- wesentlich preiswerter als Tunnels,
- Umbauzeit Kurve und Brücken ist durch „Ehrenrunde“ überbrückbar.
Transparenz und Beteiligungsmöglichkeiten
Was in Stuttgart 2010 die Schlichtung war, das ist seit 2023 das Dialogforum der DB InfraGO in Frankfurt.
Man muss es leider sagen: eine Pseudo-Basisdemokratie mit vorgelegten Zahlen und Rahmenbedingungen der Bahn. In Stuttgart waren sie vorgetäuscht, teils gefälscht. Wie sehen sie in Frankfurt aus?