Klimawandel: Die Städte werden kochen

Mehr heiße Tage, deutlich mehr „Tropennächte“ und stetig steigende Spitzentemperaturen: Unsere urbane Infrastruktur wurde mit den Erfahrungen eines gemäßigten Klimas errichtet. Experten fordern Umdenken

Quelle: https://www.telepolis.de/features/Klimawandel-Die-Staedte-werden-kochen-6315679.html
von Kristin Langen und Nick Reimer – Telepolis (02.01.2022)

Auszüge:

Zwei Grad im Durchschnitt bedeutet, dass die Zahl der „Heißen Tage“ und der „Tropennächte“ zunimmt: „Heiße Tage“ sind solche, an denen 30 Grad und mehr gemessen werden, in den „Tropennächten“ sinkt das Thermometer nicht mehr unter 20 Grad.

Besonders werden unter dieser Entwicklung die Städte leiden: Beton speichert Wärme, sonnenbeschienene Fassaden heizen sich an warmen Tagen locker auf 40 Grad Celsius auf, Asphalt kann es auf 45 Grad bringen, mit Teerpappe gedeckte Dächer sogar auf mehr als 60 Grad. Matthias Garschagen, Professor für Geografie an der Universität München und Klimaanpassungsforscher, sagt deshalb: „Städte sind wie Brenngläser des Klimawandels“.

„Frankfurt am Main wird in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts ein Klima bekommen, wie wir es heute in Mailand vorfinden“, so DWD-Experte Walter. Mit solchen Analogien versucht die Wissenschaft zu verdeutlichen, was auf die Städte zukommt. So wird Berlin ein Klima bekommen, wie wir es heute im südfranzösischen Toulouse vorfinden, Hamburg wie das spanische Pamplona, Köln wie San Marino, Wiesbaden wie Lugano.

[…]

Hitzestress, das kann auch tödlich sein. Studien belegen zum Beispiel für Berlin, dass das Sterberisiko während einer Hitzewelle in eng bebauten Stadtteilen am höchsten ist. Bereits im jetzigen Klima gab es in den Hitzesommern 2003, 2006 und 2010 in der Hauptstadt durchschnittlich 1400 Hitzetote, das sind rund fünf Prozent aller jährlichen Sterbefälle. Zum Vergleich: Im Berliner Straßenverkehr kommen im Jahresschnitt rund 65 Menschen ums Leben – Hitze ist also bereits heute etwa 25 Mal tödlicher.

[…]

Wenn zum Beispiel der Hinterhof eines Mietshauses nicht betoniert ist, sondern entsiegelt und baumbestanden, wenn Fassaden und Dächer begrünt sind, dann kann das die dortige Temperatur um bis zu zehn Grad senken. Doch das reicht nicht. Es braucht zusammenhängende Grünflächen, in denen die Luft zirkulieren kann. Sogenannte Frischluftschneisen, die frische kühle Luft in die Städte bringen und die heiße Luft hinaus transportieren.

Das ist ein Dilemma: Immer mehr Menschen möchten in die Städte ziehen, doch immer mehr Wohnraum heizt die Städte auf. Das sorgt für ein anderes Dilemma: Bereits heute sind vielerorts die Stadtbäume an ihrer Belastungsgrenze, in Berlin beispielsweise sind nicht einmal mehr die Hälfte aller 431.000 Stadtbäume gesund, wie der Straßenbaum-Zustandsbericht für das Jahr 2020 ergab. Vor allem Linden, Ahorn und Eichen leiden, allein im Stadtteil Friedrichshain-Kreuzberg mussten 2000 kranke Bäume gefällt werden.