Redetext von Karl-Heinz Peil für den BUND Hessen am 18.1.2024 bei der Kundgebung der BBI in Wiesbaden
Weitere Infos zur Kundgebung siehe: http://www.flughafen-bi.de/ und Auszüge aus Bericht der Frankfurter Rundschau vom 19.1.2024 (Regionalausgabe)
Redemanuskript
Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,
der BUND unterstützt seit langen Jahren auf Bundes- und Landesebene den Widerstand gegen alle Formen von subventionierter, umweltschädlicher Mobilität.
Als ein besonderes Lehrstück bezüglich der hessischen Landespolitik möchte ich dazu einleitend auf den Regionalflughafen Flughafen Kassel-Calden verweisen.
Zur Erinnerung: Dieser war ein Steckenpferd des 1999 gewählten CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch und wurde trotz massiver Widerstände gebaut. Der sogenannte Kassel Airport wurde im April 2013 eröffnet und erweist sich seitdem als dauerhaftes Subventionsgrab.
Im letzten Koalitionsvertrag der schwarz-grünen Landesregierung vor fünf Jahren war immerhin noch zu lesen, dass man diese Subventionen zurück fahren wolle.
Im neuen Koalitionsvertrag heißt es nun – so wörtlich – „dass der Kassel Airport Entwicklungspotenzial bietet“ und deshalb größtmögliche Unterstützung erfolgen soll. Und weiter heißt es: „Wo seitens der Politik möglich, wollen wir auch dazu beitragen, dass die Fluggastzahlen in den kommenden Jahren eine positive Entwicklung nehmen.“ Soweit das Zitat.
Der Kassel Airport hat fünf Flugbewegungen pro Tag. Was ist das denn für eine realitätsfremde Landespolitik?
Umweltpolitisch notwendig ist die Reduzierung des Flugverkehrs.
Auch ohne die bescheidenen Maßnahmen der Bundesregierung mit der aktuell vorgesehenen, leichten Anhebung der Flugticketsteuer hat hierbei das Land Hessen als Haupt-Anteilseigner der Fraport große Spielräume, die jedoch gegenteilig genutzt werden.
Bereits im Jahr 2019 hat der BUND in einer Studie nachgewiesen, dass mehr als die Hälfte der Kurzstreckenflüge von und nach deutschen Flughäfen ohne Komfort- und Zeitverlust sofort auf die Schiene verlagert werden könnten. Ein ähnliches Bild ergibt sich auch aus den monatlichen Monitoring-Berichten der Stabsstelle für Fluglärmschutz bei der Stadt Frankfurt.
Aktuell sind im Fernverkehr der Bahn bei ICE-Verbindungen im Durchschnitt nur die Hälfte der Sitzplätze belegt und der Fernbahnhof am Flughafen hat noch erhebliche Ressourcen.
Davon ist aber im Koalitionsvertrag keine Rede. Stattdessen wird der Anschluss des Terminal 3 an das S-Bahn-Netz genannt – so als hätte diese Verbindung eine besonders hohe Priorität.
Anstatt mit Sofortmaßnahmen wie eine Erhöhung von Start- und Landegebühren speziell für Kurzstreckenflüge zur Nachhaltigkeit beizutragen, soll faktisch der grüne Anstrich des Klimakillers Flugverkehr in der Öffentlichkeitsarbeit der Fraport unterstützt werden.
Ich zitiere dazu aus dem Koalitionsvertrag:
„Wir wollen den Flughafen zu einem Vorbild für PV-[Photovoltaik]-Erzeugung an Flughäfen entwickeln.“ und weiter: „Hierzu werden wir die naturschutzrechtlichen Auflagen und behördlichen Abläufe so optimieren, dass wir eine zügige Realisierung von Maßnahmen gewährleisten können.“
Warum das? Für Photovoltaikanlagen wäre für die Fraport reichlich Platz auf bereits vorhandenen Dachflächen, was aber bisher nur minimal genutzt wird. Es ist aber wohl erheblich öffentlichkeitswirksamer, entlang von Start- und Landepisten Solarpaneele aufzustellen, auch wenn damit an einigen Stellen der noch vorhandene Naturschutz geschleift wird. Letzteres wird nicht ohne den Widerstand des BUND erfolgen.
Vor allem aber: Der BUND wird weiterhin gegenüber der Landesregierung Sofortmaßnahmen zum Klimaschutz im Mobilitätssektor einfordern.
Wir glauben nicht an künftige technologische Wundermittel gemäß Koalitionsvertrag, sondern an die sofortige Wirksamkeit von Maßnahmen wie Tempo 100 auf Autobahnen und minus 20% Luftverkehr gegen die wichtigsten klimaschädlichen Emissionsquellen.
Lasst uns dazu ausdauernd und unüberhörbar kämpfen.
Auszüge aus Bericht der FR vom 19.1.2024
Protest gegen Schwarz-Rot: Initiativen gegen den Ausbau des Flughafens und der Autobahn verbünden sich mit Aktiven für den Klimaschutz. Den Koalitionsvertrag kritisieren sie als rückwärtsgewandt
[…]Lena von „Fridays for Future Frankfurt“ hat die Vokabel Verkehrswende im Koalitionsvertrag gesucht. Aber nicht gefunden. Hingegen „jede Menge Autobahnen“. Und neue Technologien, die die alten Energieträger eins zu eins ersetzen sollen – „ohne Einschränkungen“. Eine Rechnung, die nicht aufgehe, sagt die junge Frau, die eingangs an die Räumung des Dannenröder Forstes und des Fechenheimer Waldes in Frankfurt erinnert hat – für Autobahnprojekte. An dem Ziel, den menschengemachten globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, wolle sich die neue Landesregierung lediglich orientieren. „Etwas mehr Verbindlichkeit wäre schon zu wünschen“, sagt Lena.
Eine Liste der „Lowlights“ im Koalitionsvertrag hat Viola von Klimaattac Frankfurt erstellt. Keine Verbote, Wasserstoff als Lösung für alle Probleme. „Der Lebensstil soll nicht geändert werden.“ Kein Tempolimit, stattdessen mehr Polizei für den Staat. Sie sorgt sich um den Schutz der Wälder, das Naturschutzgesetz solle „entschärft“ werden. Viola fühlt sich zurückversetzt in die 90er Jahre. „Wir brauchen eine mutige Politik, eine soziale ökologische Transformation.“
Hans Christoph Stoodt befürchtet, dass die Pläne für den zehnspurigen Ausbau der Autobahn A5 wieder hervorgeholt werden. „Ein völlig wahnsinniges Projekt“, sagt der Frankfurter von der Initiative „Es ist zu laut!“ Schon jetzt sei der Lärm für manche Anlieger unerträglich.
Stoodt fordert die Veröffentlichung der Machbarkeitsstudie zum Ausbau. Bisher habe selbst der ab sofort zuständige hessische Verkehrsminister Kaweh Mansoori das Papier nicht zu Gesicht bekommen. Dann spricht Stoodt eine deutliche Warnung aus: Die Gegnerinnen und Gegner des Autobahnausbaus würden jeden zusätzlichen Kilometer bekämpfen. „Diese Politik werden wir so teuer wie möglich machen.“
Berthold Fuld von der Bundesvereinigung gegen Fluglärm stellt den Frachtverkehr am Frankfurter Flughafen in den Mittelpunkt seiner Rede: „Wir fordern eine Verlagerung auf die Schiene.“
Karl-Heinz Peil vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) wirft einen Blick nach Kassel-Calden, wo ein seit Jahren hochsubventionierter Regionalflughafen noch stärker unterstützt werden soll als bislang. „Bei fünf Flugbewegungen pro Tag, das ist realitätsfern.“