Bewertung UFP-Projekt des FFR

UFP-Projekt:

Das erste Arbeitspaket ist fertig, das letzte will keiner haben.

Beitrag von der Homepage der BI Raunheim / Horst Bröhl-Kerner (Quelle: https://bifr.de)

Wie vor einem Jahr ange­kündigt, wurde das erste Arbeits­paket des Projekt SOURCE FFR jetzt termin­gerecht fertig­gestellt und im FFR-Konvent präsen­tiert. Das Ergebnis kann auf der ein­schlä­gigen Projekt-Web­seite in Form eines 85seitigen Berichts mit dem Titel „Bestim­mung der UFP-Emis­sionen“ und einer Stellung­nahme der „Wissen­schaft­lichen Quali­täts­siche­rung“ dazu nach­gelesen werden.

Der Bericht enthält aller­dings nicht, wie es in der PM des FFR heisst, „die Ergeb­nisse zweier Mess­kampagnen auf dem Flug­hafen­gelände“ in dem Sinn, dass hier tatsäch­lich Meß­werte veröffent­licht würden.
Es geht im ganzen Bericht viel­mehr darum, darzu­stellen, wie aus diesen Messungen und zahl­reichen anderen Quellen Daten gewonnen werden, die es erlauben, „für die nun anstehenden Model­lierungen der UFP-Immis­sionen …, die in den nächsten 12 Monaten durch­geführt werden (für die Jahre 2019 und 2024)“ die Emis­sionen aller rele­vanten UFP-
Quellen als Input (sog. Emis­sions­faktoren) zu erfassen.

Dabei werden relativ ausführ­lich Unsicher­heiten in den Daten und mög­liche Fehler­quellen darge­stellt, zugrunde­liegende Annahmen und Fest­legungen begründet, etc.. Für Aussen­stehende ist es schwierig zu beur­teilen, aber man gewinnt den Eindruck, dass hier seriös gear­beitet wurde und Alter­nativen möglich, aber nicht unbe­dingt plausibler wären.
Zwei Punkte bleiben für uns aller­dings unklar, und eine gravie­rende Auslas­sung fällt auf.

Im Kapitel „6.8 Emis­sionen des Flug­verkehrs am Flug­hafen Frank­furt“ fällt auf, dass den Flug­phasen unmit­telbar am und auf dem Flug­hafen (landing-roll, taxi, take-off-roll) sehr grosse Aufmerk­samkeit gewidmet wird, während die unmit­telbar voraus­gehenden bzw. folgenden Flug­phasen (approach, climb-out) nur sehr summa­risch behandelt werden. Bei letztere gibt es keinerlei Differen­zierungen nach unter­schied­lichen Lande- und Start-Ver­fahren, es bleibt auch unklar, wie weit sie über­haupt in die Model­lierung einbe­zogen werden.
Auch die im Unter­kapitel „6.8.4 Korrek­tur der Emissions­höhen durch Einwir­kung von Wirbel­schleppen“ beschrie­bene Behand­lung der Wirkung von Wirbel­schleppen wirkt sehr ober­fläch­lich. Sie läuft darauf hinaus, die Trieb­werks­emissionen bei Model­lierung von An- und Abflügen nicht in den tatsäch­lichen Flug­höhen, sondern in durch vor­defi­nierte Stan­dard-Para­meter bestimmten niedri­geren Höhen freizu­setzen. Dass Wirbel­schleppen als solche aufgrund der kon­kreten Wetter­beding­ungen erheb­lichen, auch seit­lichen Trans­porten unter­liegen und sich unter­schied­lich schnell auflösen können, soll offen­sicht­lich nicht berück­sichtigt werden.

Wirk­lich schmerz­haft ist aller­dings eine Auslas­sung, die dazu führen muss, dass die Quali­tät der Model­lierung wesent­lich schlechter über­prüft werden kann und wich­tige Aussagen über die Ausbrei­tung von ultra­feinen Partikeln aus Flug­zeug-Trieb­werken nicht gewonnen werden können.
Schon vor Beginn des Projekts war bekannt, dass sich UFPs aus Flug­zeug-Trieb­werken zumin­dest partiell von UFPs aus anderen Quellen chemisch unter­scheiden, und es wurde in Aus­sicht gestellt, dass „die Ergeb­nisse der aktu­ellen Studie helfen, flug­hafen­spezi­fische Partikel zu identi­fizieren und mög­liche Minde­rungs­maßnahmen abzu­leiten“.
Eine Ende letzten Jahres veröffent­lichte Arbeit enthält auch Abschät­zungen für Emis­sionen von aus Öl entstan­denen UFPs in Abhängig­keit von diver­sen Flug­parametern bzw. Flug­phasen und beschreibt deren zeit­liche Entwick­lung, die sich anschei­nend von der der UFPs aus Kerosin-Verbren­nung unter­scheidet.

In einer idealen Welt würde man davon aus­gehen, dass solche Ergeb­nisse umgehend genutzt und in die Model­lierung einbe­zogen würden, auch wenn sie zum Zeit­punkt der Konzep­tion der Studie noch nicht bekannt waren und zusätz­liche Mittel dafür zur Verfü­gung gestellt werden müssten. Wenn die Emis­sionen von UFP aus Trieb­werks­ölen charakte­ristisch für flug­bedingte Immis­sionen sind, sind sie auch das ideale Mittel zur Unter­scheidung von Immis­sionen aus verschie­denen Quellen und zur Bestim­mung des Anteils der Flug-bedingten Immis­sionen an einem bestimmten Ort und damit für eine erfolg­reiche Model­lierung unver­zichtbar.
Indem die Emis­sionen dieses UFP-Anteils in diesem Projekt nicht getrennt bestimmt und model­liert werden, wird also auf einen aktuell mög­lichen, wesent­lichen qualita­tiven Fort­schritt ver­zichtet. Zusammen mit dem Aspekt, dass auf die Unter­suchung der spezi­fischen Toxi­zität dieser Immissions­komponenten von Anfang an verzichtet wurde, muss man schliessen, dass es dem Auftrag­geber nur allzu recht wäre, wenn diese Zusammen­hänge noch eine Zeit­lang im Dunklen blieben.
Inwie­weit es dem Institut Atmo­sphäre und Umwelt der Goethe-Univer­sität, aus dem die oben zitier­ten Arbeiten kommen, das zum Projekt-Konsor­tium gehört und dessen Leiter auch der Projekt­leiter der Belastungs­studie ist, gelingen wird, die Erkennt­nisse doch noch für das Projekt nutzbar zu machen, bleibt abzu­warten. Immer­hin ist die „Chemi­sche Charak­terisie­rung von UFP“ mit dem Ziel der „Quell­identi­fizie­rung durch die Bestim­mung von Marker­substan­zen“ noch Teil des Arbeits­paketes 2 der Belastungs­studie.

Trotz der Mängel darf man hoffen, dass dieser Teil der SOURCE FFR-Studie brauch­bare Ergeb­nisse liefern wird. Nächster Schritt sind laut Presse­mittei­lung „die nun anste­henden Model­lierungen der UFP-Immis­sionen …, die in den nächsten 12 Monaten durch­geführt werden (für die Jahre 2019 und 2024)“. Ausser­dem wird „mit der Veröf­fent­lichung des Berichts für das zweite Arbeits­paket (UFP-Immis­sionsmes­sungen) … Ende des Jahres 2025 gerechnet“.
Spätestens dann wird man wissen, ob die Kritik an der Landes­regie­rung wegen der Einstel­lung der tempo­rären UFP-Mes­sungen durch das HLNUG auch bezüg­lich einer Schädi­gung des Projekts SOURCE FFR berech­tigt war. Im Zeit­plan der Belastungs­studie, der im Konvent gezeigt wurde, tauchen die für Mitte des Jahres vorge­sehenen „mobilen Mes­sungen“ jeden­falls bisher nur mit Frage­zeichen auf.

Wesent­lich schlechter sieht es für den zweiten Teil aus, die Wirkungs­studie. In der PM heisst es dazu:

„Die Vergabe­entscheidung für SOURCE FFR – expo­sure & health verzö­gert sich. Es ist geplant, die beiden aktuell vorge­sehenen Module einer UFP-Wirkungs­studie in den nächsten Monaten zu vergeben. Das FFR ist zuver­sicht­lich, dass die ersten Arbeiten an der Wirkungs­studie im September beginnen können.“

In einer Mail, mit der er eine Einla­dung zu einem weiteren „Austausch­treffen“ zum Projekt mit den BIs „nach den Oster­ferien“ ankün­digt, schreibt der Leiter des Umwelt­hauses (das formal Auftrag­geber der Studie ist),

„dass sich die Studien­vergabe leider ver­zögert, da die öffent­liche Aus­schrei­bung aus dem Sommer 2024 erfolg­los ver­laufen ist. Die öffent­liche Aus­schrei­bung wird jetzt mit leichten Modi­fika­tionen erneut durch­geführt.“

Das muss wehtun.

Aus dem privaten Bereich kennt man das ja: man hat eine Arbeit zu vergeben, findet aber niemanden, der es macht, weil alle einschlä­gigen Hand­werker zu wenig Leute und Bes­seres zu tun haben. Hier taugt das aller­dings kaum als Erklä­rung.
Wenn staat­liche (oder quasi-staat­liche) Auftrag­geber Forschungs-Dienst­leistungen aus­schreiben, gibt es in aller Regel nur einen begrenz­ten Kreis von meist finan­ziell wenig üppig ausge­statteten Insti­tuten, die über­haupt in Frage kommen, und die meisten sind für neue Projekte dankbar. Wenn sich unter solchen Beding­ungen niemand für ein Projekt interes­siert, kann man sicher sein, dass damit etwas faul ist.
Schaut man sich an, was von der „Aus­schreibung aus dem Sommer 2024“ öffent­lich verfüg­bar ist, findet man einige Hinweise, was das sein könnte.

Die Serio­sität dieser Ausschrei­bung wird schon beim ersten Durch­lesen in Zweifel gezogen durch die vielen Schlampe­reien, die ins Auge fallen. So ist rund ein Viertel des länglichen Textes unter „2.1 Verfahren“ nur eine Wort für Wort identische Verdoppelung, und am Ende bricht die Beschrei­bung der 2. Teil­studie mitten im Satz ab genau da, wo es für die Wirkungs­studie interes­sant wird.
Wesent­liche Inhalte werden dann unter „5.1 Los: LOT-0001“ beschrieben:

„Titel: Durch­führung einer UFP-Wirkungs­studie Beschrei­bung: Die vorlie­gende Ausschrei­bung adres­siert nur das 4. Teil­vorhaben. Dabei sind folgende Forschungs­fragen zu unter­suchen: – Welche Auswir­kung haben ultra­feine Partikel insbe­sondere aus dem Luft- und Straßen­verkehrs­sektor auf die Gesund­heit der Bevölke­rung im Rhein-Main Gebiet? – Gibt es unter­schied­liche Auswir­kungen je nach UFP-Quelle? Wenn ja, welche? – Wie sind je nach unter­suchtem End­punkt die Wirk­mecha­nismen zwischen UFP-Expo­sition und gesund­heit­lichen Folgen? – Gibt es Unter­schiede in Abhängig­keit bestimmter Bevöl­kerungs­gruppen? – Welche Bedeu­tung haben multiple Wirk­faktoren auf die Gesund­heit, z.B. Kombi­nation UFP/ Verkehrs­lärm oder UFP/ weitere Luft­schad­stoffe und mete­oro­logische Para­meter, wie z.B. UFP/Tempe­ratur?“

Keine Rede also davon, dass die Studie schon von Anfang an enger begrenzt war und dann auch noch auf zwei Teil­projekte zusammen­gestrichen wurde – nach diesem Text wären prak­tisch alle Fragen zu unter­suchen, die einem im Zusammen­hang mit diesem Thema über­haupt ein­fallen können.

Sollte es poten­tielle Anbieter geben, die bisher mit dem Projekt noch nichts zu tun hatten, würden sie wohl durch solche Anforde­rungen erfolg­reich abge­schreckt.
Faktisch ist es aber wohl eher so, dass alle, die für die Durch­führung dieses Studien­teils hierzu­lande über­haupt in Frage kommen, schon an der Ausar­beitung der Design­studie betei­ligt waren und genau wissen, worum es wirk­lich geht. Sie sehen sich dann mit der Situa­tion konfron­tiert, dass einer­seits die Auftrag­geber öffent­lich immer noch gigan­tische Erwar­tungen produ­zieren, indem ein gewal­tiger Umfang der Unter­suchungen vorge­täuscht wird, anderer­seits aber die tatsäch­liche Aufgabe und die dafür zur Verfü­gung stehenden Mittel extrem einge­schränkt sind.
Die Perspek­tive, in der Öffent­lich­keit nach Abschluss des Projekts die Sünden­böcke spielen zu müssen dafür, dass die meisten Fragen, die die Betrof­fenen umtreiben, immer noch nicht beant­wortet werden können, ist offen­kundig wenig attraktiv.

Es wird spannend sein zu beobachten, wie UNH, FFR und Landes­regierung diese komplett ver­pfuschte Aus­schrei­bung „mit leichten Modifi­kationen“ noch retten wollen.
Sehr wahrschein­lich wird es ihnen aber gelingen, einen faulen Kompromiss zu finden, der es ihnen erlaubt, das Projekt noch irgend­wie zu einem Abschluss zu bringen. Es eilt ja nicht: die „geschätzte Dauer“ des Teil­projekts wird in Punkt 5.1.3 mit „48 Monate“ ange­geben, und in vier Jahren kann viel passieren.
Die von Ultra­fein­staub Belas­teten im Flug­hafen-Umfeld ahnen ja sowieso, dass diese Partikel ihrer Gesund­heit nicht gut tun, und was sie genau an­richten, ver­stehen ohnehin die wenigsten. Dass es ein paar Jahre länger dauern wird, bis die Grund­lagen für die Defini­tion von Grenz­werten für diese Belas­tung gelegt sind und dann auch durch­gesetzt werden, wird zwar für viele vermeid­bare zusätz­liche Krank­heits­tage und Todes­fälle sorgen, aber anderer­seits kann der Flug­verkehr sich dadurch viel­leicht ja noch so lange unge­stört ent­wickeln, bis die Klima­kata­strophe dem end­gültig ein Ende setzt. Das verspricht noch einige Jahre reich­lich Profit, und die, die heute derartige Entschei­dungen treffen, werden dann sicher nicht mehr zur Verant­wortung gezogen.

Eine Alter­native dazu gibt es natür­lich auch: ein Konzept für eine sinn­volle Wirkungs­studie liegt in Form des Ergeb­nisses der Design­studie auf dem Tisch. Ergänzt um Unter­suchungen zur spezi­fischen Toxiko­logie der ultra­feinen Partikel aus Flug­zeug­trieb­werken und die gesund­heit­lichen Aus­wir­kungen bei extrem hoch belas­teten Personen auf dem Flug­hafen­vorfeld liessen sich daraus umfas­sende und quali­tativ neue Aus­sagen über die gesund­heit­lichen Wir­kungen von UFP aus unter­schied­lichen Quellen abhängig vom jewei­ligen Grad der Belastung gewinnen. Dies wäre ein wichtiger Schritt zur Fest­legung von Belas­tungs­grenz­werten, die die gesund­heit­lichen Risiken für die Betrof­fenen im Umfeld von UFP-Quellen wie Flug­häfen, Strassen­verkehr und Industrie­anlagen mini­mieren können und die Grund­lage für die Durch­setzung von Minde­rungs­maß­nahmen liefern können.
Das wäre ein Weg, der gegangen werden könnte in einer Welt, in der „Sicher­heit“ Leben in einer gesunden Umwelt und einem stabilen Klima meint, nicht unge­hemmte Profit­macherei und Rüstungs­wahn. Eine Welt also, von der wir uns aktuell immer weiter entfernen.

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