Kommentar zur Veranstaltung mit Hr. Bolte von der DB Netz
Karl-Heinz Peil / 26.5.2023
Zum äußeren Rahmen
Die Veranstaltung war mit ca. 50 Anwesenden vergleichsweise schwach besucht. Dass diese auch eine Hybridveranstaltung mit Internet-Zugang war, wurde im Vorfeld nirgendwo nach außen kommuniziert. Auch heute findet sich auf der Homepage des Veranstalters dazu kein Hinweis.
https://kulturellesfrankfurt.de/25.05.2023
Bereits diese offizielle Veranstaltungsankündigung war ja eher ein Geheimtipp. Die provozierende Frage muss gestellt werden: War das Absicht, ein derart wichtiges Thema derart zu verstecken?
Bemerkenswert war dazu gegen Ende die Antwort von Hr. Bolte auf die Frage nach Öffentlichkeitsbeteiligung. Sinngemäß war seine Aussage die, dass man bei diesem Projekt eine größere Öffentlichkeitsbeteiligung nicht bräuchte, da die Bauarbeiten ja im wesentlichen unterirdisch erfolgen würden, was anders sei als bei Schnellbahnstrecken in der Fläche, wo eine Vielzahl von Kommunen betroffen wären. Er versteht Öffentlichkeit in diesem Fall so, dass man eher in kleineren Runden mehr fachspezifische Dinge diskutiert, z.B. mit Architekten.
(Eigene Anmerkung: Wie das in einem solchen Fall bei der DB Netz läuft, kann man exemplarisch z.B. hier nachlesen: https://pro-ausbau.de/ )
Interessant auch, dass nach Ende der Veranstaltung im persönlichen Gespräch der FBT-Befürworter Frank Nagel offen sagte, dass die Kommunikation der DB Netz eine Katastrophe sei.
An Bahn-Experten waren u.a. Hr. Speck (leidenschaftlicher Befürworter von Untertunnelungen bereits in den 90er Jahren) und Hr. Andersen (mit Konzept für Ausbau Südbahnhof als Alternative) anwesend.
Insgesamt gab es in den mehr als 30 Minuten, die für Fragen aus dem Publikum vorgesehen waren, mehr kritische als harmlos-zustimmende Fragen.
Hr. Bolte verstand seine handwerkliche Darstellung sehr gut. Ein 5-Minuten-Image-Film als Einstieg und schöne Folien.
Status und Zeithorizont
Wie auch heute in der FR nachzulesen ist unter https://www.fr.de/frankfurt/die-vorplanung-fuer-den-fernbahnhof-in-frankfurt-beginnt-92302115.html beginnen aktuell die Planungsarbeiten der beauftragten Ingenieurbüros, deren Ergebnisse in 2 bis 3 Jahren dem Bundestag zur Entscheidung bzw. Mittelfreigabe der Baumaßnahme vorgelegt werden sollen.
Alternative Südbahnhof
Interessant ist, wie ein alternativer Ausbau des Südbahnhofs systematisch kleingeredet wird. Hr. Bolte sagte, dass eine Kapazitätserhöhung nur um 5% möglich sei. (Früher wurde mal gegenüber Klaus Gietinger ein Wert von 10% genannt). Auf einer Folie waren zwei zusätzliche Schienengleise grafisch auf eine Bestandszeichnung gelegt, mit einigen Dutzend Häusern, die damit abgerissen werden müssten.
Anmerkung dazu: Seriös wäre eine ergebnisoffene Machbarkeitsstudie, deren Ergebnis auch veröffentlicht würde. Darin müssten mehrere Varianten des Ausbaus am Südbahnhof gegenüber gestellt werden. Prinzipiell sind ja nach wie vor (kleinere) Ausbaumaßnahmen vorgesehen.
Nur: Sowohl die bescheidenen 5% Kapazitätserhöhungen bei den dramatischen baulichen Folgen eines hypothetisch maximalen Ausbaus sind reine Behauptungen, die nicht nachprüfbar sind. Suggeriert wird damit eine DB-interne Machbarkeitsstudie, was aber definitiv nicht der Fall ist.
Beispielsweise ist gemäß dem Konzept von Hr. Andersen nur der Abriss von zwei Häusern vorgesehen.
Im Umkehrschluss könnte man auch konstruiert sagen: Der FBT ist nicht machbar, weil die untersuchten Nord- und Mittelvariante nicht möglich sind und eine Südvariante (wie jetzt vorgesehen) aus irgendwelchen Gründen nicht in Betracht kommt.
Bedarfsprognosen
Die Prognosen über die künftig zu erwartenden Züge pro Tag (derzeit bei ca. 1200) werden ohne jeglichen Bezug auf Quellen und Methoden zu deren Entwicklung dargestellt. Insofern sind das reine Behauptungen. Seriös wäre es gewesen, wenn mehrere Parameter zu deren Ermittlung eine Nachprüfbarkeit erlauben würden, vor allem im Sinne zukünftiger Entwicklungen anhand mehrerer unterschiedlicher Szenarien. Beispiele:
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Verlagerung innerdeutscher Flüge auf die Bahn (was bereits heute weitestgehend durch höhere Auslastung der Züge möglich wäre)
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Regionale und globale Warenströme auf der Schiene, die anderweitig Schienenkapazität binden
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Geschäftsreisen und Arbeitsplätze in Frankfurt
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Wochenendfahrten und Touristik
Qualitätsverbesserung des Hbf Frankfurt
Eigentlich eine gut anzusehende Idee, unter den Gleisen des Kopfbahnhofes eine Querspange von dem FBT-Tiefbahnhof zum S-Bahnhof zu legen. Nur: Was spräche dagegen, die vorhandene und mittlerweile schmuddelige Querspange zwischen den Gleisen aufzupäppeln. Und was spräche dagegen, die erschwerten Wegverbindungen am Kopfteil zu erleichtern durch Wegfall von Imbissständen (zu Lasten der Mieteinnahmen von DB Station & Services).
Einschränkungen durch Baumaßnahmen
Der Wegfall von vier Gleisen im Zuge der Baumaßnahmen ist für Hr. Bolte kein Problem, da anderen Bahnhöfen Kapazitäten für Interims-Halte vorhanden seien (was auch nachweislich stimmt). Fragt sich deshalb nur, warum man nicht bereits jetzt diese Kapazität zur Umleitung auf andere Bahnhöfe nutzt.
Ressourcen für Planung und Baumaßnahmen
Auf diese gestellte Frage verwies Hr. Bolte darauf, dass man im letzten Jahr Hunderte Ingenieure eingestellt habe, die vor allem für Großprojekte zu begeistern wären. Tja, der für eine Verkehrswende notwendige und kostengünstige Ausbau in der Fläche ist eben weniger sexy.
Deutschlandtakt
Hier sei der FBT zwingend notwendig, was aber von Fachleuten bestritten wird. Diese Begründung war ja 2018 der Einstieg in das Projekt. Mit der Vorlage der Machbarkeitsstudie im Juni 2021 wurde dann kommuniziert, dass die Fertigstellung des FBT nach 2040 erfolge, der Termin für den Deutschlandtakt aber nach wie vor bei 2030 stand. Heute ist er ja in die Ewigkeit verschoben. Dazu natürlich kein Wort von Hr. Bolte.
Funktion des FBT
Immerhin erwähnte Hr. Bolte in einem Nebensatz, dass der FBT auch für Regionalzüge vorgesehen sei. Dass der FBT nur den überwiegenden Teil des Fernverkehrs dort abwickeln kann, kam nicht zur Sprache. Jedenfalls ist die Bezeichnung Fernbahntunnel so irreführend.
Regionaler Ausbau des Schienennetzes
Immerhin kam von Hr. Bolte ein gewagter Blick in die Zukunft: Nach der RTW auch Regionaltangenten Süd und Ost. Ohne den FBT würde das aber alles nicht funktionieren als Gesamtsystem. Kann man – muss man aber nicht glauben.
Y-Anbindung im Osten
Hoch gepriesen von Hr. Bolte als betrieblich flexible Lösung. Expertenmeinungen (wie von Hr. Andersen) dazu sind hingegen, dass ein Ausbau des Knotens Hanau durchaus so möglich sei, dass über eine einzige Trassenführung sowohl Züge von Fulda wie auch von Aschaffenburg über eine Trasse zugeführt werden könnten. Tatsächlich ist dieses in Ermangelung einer Planung zwecks Verbesserung der Zubringerstrecken kosten- und brandschutzmäßig die Achillesferse des ganzen Projektes.